„Ko-Transformationen“ im Praxis-Test

"Ko-Transformationen" im Praxis-Test

Veranstalter
Marcus Böick (Ruhr-Universität Bochum); Constantin Goschler (Ruhr-Universität Bochum); Ralph Jessen (Universität zu Köln)
Veranstaltungsort
Kulturwissenschaftliches Institut Essen
Gefördert durch
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
PLZ
45141
Ort
Essen
Land
Deutschland
Vom - Bis
29.10.2021 - 30.01.2021
Deadline
28.02.2021
Von
Marcus Böick, Historisches Institut, Professur für Zeitgeschichte, Ruhr-Universität Bochum

Der Workshop will das in den letzten Jahren vieldiskutierte Konzept der "Ko-Transformationen" in Europa nach 1990 einem umfassenden Praxistest unterziehen und hierzuvor allem Beziehungen, Wechselwirkungen und Transfers zwischen Ost und West anhand empirischer Felder diskutieren.

"Ko-Transformationen" im Praxis-Test

Die Folgen des politischen Umbruchs von 1989/90 wurden bislang vor allem mit Blick auf die Länder hinter dem einstigen Eisernen Vorhang untersucht – und dies gilt insbesondere auch für Ostdeutschland. In gewisser Weise verlängert die zeithistorische Forschung damit vielfach jene Perspektive, die in den 1990er Jahren dazu führte, dass Transformation vor allem als einseitige Angleichung an den Westen verstanden wurde. Demgegenüber brachte Philipp Ther bereits vor einigen Jahren den Begriff der „Ko-Transformation“ ins Spiel, um die vielfältigen Interaktionen und Rückwirkungen zwischen den postkommunistischen Umbruchprozessen in Osteuropa und dem vermeintlich stabilen Westen zu thematisieren.

Thers konzeptioneller Vorschlag greift nicht nur zeitlich wie räumlich über die Zäsur von 1989/90 hinaus, sondern stellt auch deren vermeintliche Alternativlosigkeiten kritisch zur Diskussion: Der „Triumph“ westlicher Ideen, liberaler Demokratie und kapitalistischer Marktwirtschaft erscheint nun nicht mehr als ungebremster Siegeszug von West nach Ost, sondern als eine krisenhafte und widersprüchliche Beziehungsgeschichte mit offenem Ausgang. Eine derartige Diagnose europäischer Ost-West-Rückkopplungseffekte schien in den 2010er-Jahren an Plausibilität zu gewinnen, als nationalpopulistische und eurokritische Parteien und Bewegungen, die Finanzkrise und Migrationsdebatten den Kontinent in Atem hielten.

Die große Resonanz auf den Begriff der „Ko-Transformation“ hat sich bis heute allerdings noch nicht in einer breiten empirisch-historischen Forschung niedergeschlagen. Der Workshop will daher eine Gelegenheit bieten, die analytische Perspektive der „Ko-Transformation“ anhand konkreter Beispiele aus dem deutsch-deutschen Vereinigungskontext, aber auch aus anderen europäischen Gesellschaften zu diskutieren. Unterschiedliche Themen und Forschungsfelder einer ost-westlichen Interaktionsgeschichte nach 1990 sind vorstellbar: Prozesse wirtschaftlichen Strukturwandels auf der Makro- oder Mikroebene, Veränderungen von Sozialstaat und Sozialpolitik, aber auch gesellschaftliche, mediale oder kulturelle Wandlungsdynamiken. In der Sphäre des Politischen liegt es nahe, neonationalistische, populistische und globalisierungskritische Bewegungen sowie strukturelle Krisenerscheinungen demokratischer Ordnungen aus der Perspektive der „Ko-Transformation“ auszuleuchten.

Ganz gleich, welches dieser Themenfelder aufgegriffen wird - erwünscht sind historisch ausgerichtete Beiträge, die das heuristische und analytische Potential des Begriffs der „Ko-Transformation“ gegenstandsnah ausloten und erproben. Der geplante Workshop soll, sofern möglich, in nicht-digitaler Weise am 29./30. Oktober 2021 am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen veranstaltet werden. Dieser findet mit freundlicher Unterstützung der Bundestiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur statt. Für die Mitwirkenden können daher Reise- und Unterkunftskosten übernommen werden. Die Beiträge sollen spätestens zwei Wochen vorab als ausformulierte Papiere (im Umfang von ca. zehn Seiten) eingereicht werden und unter den Teilnehmenden zirkulieren, damit wir vor Ort intensiv diskutieren können. In diesem Sinne bitten wir um die Einsendung von entsprechenden Beitragsvorschlägen (im Umfang von maximaler einer halben Seite) bis zum 28. Februar 2021 in digitaler Form an Zeitgeschichte@rub.de.